Sonntag, 2. Januar 2011

Peter Ramsauer erhält Patrick-Döring-Preis

Der Patrick-Döring-Preis für das am plumpesten eingeleitete Ablenkungsmanöver geht in diesem Jahr an Verkehrsminister Peter Ramsauer. Dieser hat nämlich scharfsinnig die eigentliche Schwierigkeit der Deutschen Bahn erkannt: Nicht etwa ausfallende, steckenbleibene, überfüllte oder überteuerte Züge erregten den Ingrimm der Bahnkunden, nein es sei die Sprache.

Nun ist das dümmliche Pseudoenglisch, das irgendwelche zugekifften Werbetexter dem Unternehmen als moderne Sprache aufgedrückt haben, nichts Neues. Das ungelenke "zenkjufotrwelingwizdeutschebahn" hat es schon vor Jahren zum geflügelten Wort geschafft, und um "Call a bike" als Bezeichnung für "Mietrad" vollkommen daneben zu finden, muss man kein verhärmter, pensionierter Deutschlehrer sein. Allenfalls kann man sich darüber streiten, ob das seit Jahrzehnten gebräuchliche "Ticket" tatsächlich den Untergang der arischen Herrenrasse einleitet oder ob "Tafelschreibblock" nicht noch dämlicher ist als das zugegebenermaßen schon reichlich blöde "Flipchart", aber ich wage die Behauptung, dass es nahezu allen Bahnkunden vollkommen schnuppe ist, so lange die Züge das schaffen, was milliarden Menschen weltweit erfolgreicherweise von ihren Zügen verlangen: ankommen, und das möglichst pünktlich.

Funktioniert etwas nicht so wie geplant, wollen Bahnkunden vor allem eins sein: informiert. Die Qualität ist dabei zweitrangig. Vollkommen inakzeptabel sind Vorkommnisse wie Mitte Dezember, als 400 Reisende im Regionalexpress bei Tremsbüttel stundenlang bei ausgefallenem Strom im steckengebliebenen Zug herumfrieren durften, ohne dass sich auch nur ein Bahnmitarbeiter herabgelassen hätte, den Menschen zu erklären, was eigentlich los ist. Es mag ja sein, dass man nicht mehr schön bequem über die Bordsprechanlage Durchsagen verbreiten kann, aber selbst die Bibel berichtet von Fällen, in denen mehrere tausend Zuhörer Predigten lauschten, und Jesus hatte ganz bestimmt kein Mikrofonsystem.

Besonders großartig ist in diesem Zusammenhang die Aussage eines Bahnsprechers, man bestelle die Fahrzeuge nur, entwickelt werden sie von der Industrie. Soll das heißen, die Bahn gibt zweistellige Millionenbeträge aus, um einen Intercity zu kaufen und kommt dabei nicht einmal auf die Idee, zu sagen, was sie eigentlich haben will? Wenn Sie ein Auto kaufen, sprechen Sie doch auch mit dem Verkäufer darüber, was das Gerät einmal können soll, und wenn Sie einen Sportwagen kaufen wollen, um damit einen Wohnwagen zu ziehen, wird ein guter Verkäufer Ihnen zu einem andern Modell raten. Dieser Gedanke scheint beim Kauf von Zügen völlig abwegig zu sein. Da sagt offenbar keiner, dass im Sommer die Klimaanalge funktionieren und der Zug auch bei geringen Schneemengen immer noch fahren soll.

Tausende von Zuschriften und Anrufen will der Minister bekommen haben, alle positiv. So muss es zur Endzeit der DDR gewesen sein, als Honecker bis zur letzten Minute fest glaubte, im Land stünde alles zum Besten, weil alle negativen Nachrichten vorher herausgefiltert wurden. Zu gern wüsste ich auch, wie viele dieser selbsternannten Sprachpfleger regelmäßig mit der Bahn fahren. Ich benutze sie fast täglich, und glauben Sie mir: Wenn man den Leuten die Wahl lässt, ob Züge billig, pünklich und mit ausreichend Sitzplätzen ausgestattet oder die Ansagen des Personals in Hexameterform dargebracht werden sollen, fällt die Antwort eindeutig aus.